Ein freiwilliges soziales Jahr in Indonesien

Wie erzählt man am besten von einer Reise, die das eigene Leben verändert hat?
Ich könnte damit beginnen, wie aufgeregt ich war als ich das erste Mal indonesisch sprechen musste, wie ich mich fühlte als ich an Weihnachten nicht daheim bei der Familie sein konnte. Ja, vielleicht sogar von meinen eigenen Höhen und Tiefen berichten und wie ich diese bewältigt habe. Aber das was ich in meinem Gepäck wieder mitnahm ist nicht meine Geschichte sondern die der Menschen, denen ich begegnet bin.
Meine ersten richtigen Begegnungen hatte ich noch bevor ich bei meiner späteren Arbeitsstelle in Nias angekommen bin, da ich zuvor noch zwei Zwischenstationen einmal bei Medan und einmal in Pandang in einem Kloster an der Küste hatte. Besonders in letzterem sind mir die Mitarbeiter und Schwestern sehr ans Herz gewachsen. Viele von ihnen waren nicht viel älter als ich und obwohl ich noch so gut wie kein indonesisch konnte sind sie mir und meiner Mitfreiwilligen immer unglaublich offen, herzlich und geduldig begegnet. Ich fand es super beeindruckend wie selbstsicher diese jungen Frauen sich für ihren Glauben und das Leben als Ordensschwester entschieden haben und habe dank ihnen vieles lernen und noch mehr schöne Erinnerungen mitnehmen können. Die beeindruckendste war ein Nachbarschaftsgottesdienst zu dem mich die Mitarbeiterinnen und Schwestern einluden und bei welchem sich die gesamte Nachbarschaft in einem der Wohnhäuser des Viertels traf. Die Besitzer hatten dafür das größte Zimmer ihres Hauses freigeräumt und einen kleinen Altar aufgebaut vor dem dann alle auf dem Boden sitzend mit dem Pfarrer der Gemeinde Eucharistie gefeiert haben. Der Ansturm war beide Male so groß, dass die Mensch noch bis draußen vor dem Eingang saßen um die predigt hören zu können. Das Schönste daran war aber, dass die Menschen nach der Feier nicht einfach wieder gingen, sondern sie alle blieben um gemeinsam zu singen, über gehörtes zu sprechen und gemeinsam zu Abend zu essen. Die Atmosphäre war sehr entspannt, freundschaftlich ja beinahe familiär und hatte viele Parallelen zu dem was ich mir unter der Begrifflichkeit „Abendmahl feiern“ vorstelle. Diese gelöste, gemeinschaftlich Stimmung  ist mir später auch in Nias Sonntags immer wieder begegnet. Die Gottesdienste dort waren nicht wie jene die ich in Pandang erfuhr aber auch sie waren von Tanz, Gelächter, rhythmischen Trommelschlägen und das schönste: mit dem Lachen der Kinder erfüllt. Das Kinderdorf ist mir nach Pandang wie ein zweites Zuhause geworden, und die Kinder eine zweite Familie. Auf dem Gelände leben insgesamt 70 Kinder vom Wochenbett bis ins junge Erwachsenenalter, 15 Ordensläute der Franziskaner und Franziskanerinnen und weitere circa 30 Mitarbeiter zu denen später dann auch ich gehörte. Das Gelände selbst war relativ groß und hatte neben den Unterschiedlichen Wohnhäusern ein Schwesternhaus, eine Aula, einen Sport- und Spielplatz, zwei Schreinereien für Spielzeug und größere Möbel, eine nahe gelegene Kirche mit mehreren Pfarrgebäuden und einen gigantischen Obst und Gemüsegarten. Es ist ein wunderschöner Ort um groß zu werden und gibt den Kindern die Möglichkeit in ihren Units wieder Teil einer Familie zu werden. Dabei ist es aber nicht immer das Ziel, das die Kinder bleiben, denn neben elternlosen Kindern kommen auch viele, mit noch einem vorhanden Elternteil oder aus Familien mit finanziellen Schwierigkeiten denen man ermöglichen möchte die Kinder wieder zu sich zu holen. Das diese Problematik so oft vorkommen kann hat meiner Meinung nach viel mit den schlechten oder nicht vorhandenen Sozialhilfen und Absicherungen des Staates für seine Bevölkerung zu tun. In vielen meiner Gespräche hat sich immer wieder herausgestellt das zumindest die Bewohner meiner Gegend weder Kindergeld bekommen, noch Kranken-, Unfall-,  Arbeitslosenversicherung haben oder im Alter einmal Rente beziehen können. Die Menschen vor Ort sind also bis zu ihrem Tod darauf angewiesen eine Arbeitsstelle zu haben oder von ihren Kindern versorgt zu werden. Corona hat die Lage der Menschen in meiner Gegend um ein vielfaches erschwert da viele im Dienstleistungssektor arbeiten. Für sie bedeutet nicht arbeiten zu können kein Geld für die Bildung ihrer Kinder zu haben, keine Möglichkeit sich Essen kaufen. Ja sogar sich „Gesund sein“ nicht leisten zu können. In den letzten Tagen und Wochen war ich deshalb oft in Gedanken bei ihnen und bin eins ums andere dankbar wie gut es uns hier gehen darf.

(Johanna Wahl)

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